PROJEKT 2008/09 – Kulturelle Übersetzungen – TEILPROJEKTE

Eigensinnige Übersetzung(en)
Ästhetische Praktiken und subversive Re-Präsentation von Macht

Klaus Schönberger

Im Zuge des Aufkommens der transnationalen sozialen globalisierungskritischen Bewegungen und dem Bedeutungszuwachs der Neuen Medien entwickelte sich eine Form von politischem Aktivismus, der stark auf künstlerisch-ästhetische Momente setzt. Hierbei wird sowohl im Kontext von politischem Aktivismus und im Rahmen von Konzepten politisch eingreifender Kunstpraxis auf eine Form von Protest zurückgegriffen, die sehr stark von Techniken des Dadaismus, Surrealismus, Situationismus, Fluxus, Aktionskunst, elektronischer Musik und des Neoismus geprägt sind. Im Rahmen dieses Aktivismus sind Praktiken des Happenings, des Cut-ups, der Collage und der Montage, des Mashups, des Zitierens und des Remix geläufig. Der Anspruch der hiermit angerufenen künstlerischen Avantgarden, den Kunstbegriff wie auch den Kunstbetrieb hinter sich zu lassen, wurde dabei weniger im Rahmen des Kunstkontextes realisiert, als vielmehr dem Feld der politischen Intervention.

Konkretisiert werden sollen diese Überlegungen anhand der europäischen Rezeption des »San Precario« beziehungsweise des »Heiligen Prekarius«, eines in Italien erfundenen Schutzheiligen der prekär Beschäftigten. Hier werden traditionale Vorstellungen von Heiligen (ästhetisch wie hinsichtlich der Funktion) aufgegriffen und in einer offenen Camouflage gegen die prekären Arbeitsbedingungen gewendet. Hierbei treten Aktivistinnen und Aktivisten auf öffentlichen Plätzen, in Supermärkten, bei Filmfestivals, Modeschauen oder eben auch bei karnevalesk durchgeführten Prozessionen mit von ihnen selbst gestalteten San Precario-Figuren in Erscheinung. Der Auftritt ist jeweils als kultischer Ritus konzipiert und mit entsprechender Ikonographie, Hagiographie und dem katholischen Glauben nachempfundenen Praktiken der Heiligenverehrung verbunden. Diese Praktiken beziehen sich unmittelbar auf die katholische Tradition, mit von Gläubigen getragenen Heiligenstatuen Prozessionen durch Dörfer, über Felder und im städtischen Raum durchzuführen und spielt auf die in der christlichen Hagiographie überlieferten Mentalschablonen »invocatio und imitatio« und den mit ihnen verbundenen Praktiken der Anrufung und des Nacheiferns an. Hier sollen die Menschen nicht getäuscht werden, aber die hegemoniale (katholische) kulturelle Grammatik wird imitiert, zitiert und in einen anderen Kontext übersetzt: Persistenz und Rekombination.