PROJEKT 2015/16 – (un)sichtbar machen. – TEILPROJEKTE

Verkörperungen/Verhüllungen: Bild- und Hüllenrhetorik weiblicher Heiliger im Mittelalter

Die legendarische und ikonografische Überlieferung weiblicher Heiliger ist durch eine ›Hüllenrhetorik‹ geprägt. Maria als Topos des göttlichen Gefäßes, Barbara, die in einem Turm verborgen wird, Elisabeth, die den Kleiderreichtum des Adelsstandes fortgibt, um die Armen ein- und sich selbst als Armutsheilige umzukleiden. Daneben gibt es zahlreiche Beispiele mystisch transformierter Heiliger, bei denen die Ambivalenz des Körpers als Hülle und Offenbarungsmedium offen zu Tage tritt wie Maria von Ägypten, Wilgefortis und Katharina von Siena.

Zu diesen weiblichen Heiligen gehört auch Maria Magdalena. Als Sünderin einerseits mit besonders kostbaren Stoffen assoziiert, erscheint sie als bekehrte Büßerin in der Wüste später unbekleidet und nur von einer ›Haarhülle‹ bedeckt. In dieser Weise wird die Heilige Magdalena u.a. im Retabel der Lübecker Schneidergesellschaft gezeigt, einem zentralen Ausgangsobjekt des Projektes (St. Annenmuseum Lübeck, 1519). Das Haar umgibt Magdalena wie eine Membran, ist eins mit dem Körper, macht ihn sicht- und unsichtbar, bekleidet ihn und ist zugleich untrügliches Zeichen seiner Nacktheit.

Solche arbiträren Verhüllungen des Heiligenkörpers evozieren Fragen zur Bild- und Hüllenrhetorik sowie deren Verquickung. Dabei soll unter anderem das mediale Spannungsfeld zwischen Heiligendarstellung und der Materialität der Bildwerke im Fokus stehen. Für das Lübecker Beispiel wäre hier die Form des Flügelretabels, ebenfalls ein Bildkörper mit Verhüllungseffekten, zu beachten. Im Auffalten der Schichten des Retabels, also im Vordringen und Enthüllen des Kerns, wird hier Magdalena, die mystisch Verhüllte, entblättert. Solche und ähnliche Probleme, die sich zwischen der Darstellung und der Oberfläche des Heiligenleibes entwickeln, will das Projekt in den Blick nehmen.

 

Kontakt

Nadine Mai
nadine.mai@uni-hamburg.de

»(un)sichtbar machen«
Forschungsprojekt Isa Lohmann-Siems Stiftung
c/o
Institut für Volkskunde/Kulturanthropologie
Universität Hamburg
Edmund-Siemers-Allee 1, West
20146 Hamburg